Kritik von Miquel Cabruja, 27.09.2005
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Trotz der Tatsache, dass Mozarts Große Messe in c-Moll ein Fragment geblieben ist, zählt sie zusammen mit Bachs h-Moll-Messe und Beethovens Missa Solemnis zu den ganz großen Meisterwerken der sakralen Musik. Allein durch seinen Umfang hätte das Werk, wäre es vollendet worden, den üblichen Rahmen eines jeden Hochamtes gesprengt. Vielleicht liegt es daran, dass Mozart diese Messe nie in eine endgültige Form brachte.
Mozart vollendete nur das Kyrie, Gloria, Sanctus und Benedictus. Das Credo ist lediglich in einem unvollständigen Partiturentwurf erhalten. Alle weiteren Fragmente sind in alle Winde zerstreut. Trotzdem haben die hohe Qualität der Musik und die Sonderstellung der Großen Messe innerhalb Mozarts Gesamtwerk dazu geführt, dass es in den Jahrhunderten nach Mozarts Tod immer wieder Anläufe zu einer Vervollständigung des Materials gegeben hat. Dabei waren die Zielsetzungen durchaus unterschiedlich. Teils wollten die Bearbeiter nur die unvollständigen Teile aufführbar machen, teils verfolgten sie die Absicht einer vollständigen Rekonstruktion. Als Standard gilt die Vervollständigung durch den Mozart-Schüler Franz Xaver Süßmayer. Auch die Fassung des Dresdner Dirigenten Alois Schmitt von 1901 hat in den letzten Jahrzehnten Bedeutung erlangt.
In letzter Zeit hat ein förmlicher Neufassungs-Boom jedoch für Konkurrenz gesorgt. 1956 lieferte H. C. Robbins Landon eine weitere Vervollständigung nach. 1985 folgte Helmut Eder, 1989 Franz Beyer, 1990 Richard Maunder und 2004 Philip Wilby. Zum bevorstehenden Mozartjahr 2006 ist eine weitere Version aus der Feder Ton Koopman angekündigt, die mit Spannung erwartet werden darf.
Ebenfalls zum Mozartjahr haben die Internationale Bachakademie Stuttgart unter der Leitung von Professor Helmuth Rilling und die Kurt-Weill-Stiftung der Carnegie Hall in New York den Mozart-Spezialisten Robert D. Levin beauftragt, die c-Moll-Messe zu komplettieren. Mit der Uraufführung wollten sie jedoch nicht bis 2006 warten und haben diese ein ganzes Jahr vorgezogen. Eine weise Entscheidung; denn diese bis dato vielleicht stimmigste Vervollständigung ist es wehrt, außerhalb des Freudentaumels eines Jubiläums wie dem Mozartjahr zur Kenntnis genommen und gewürdigt zu werden. Angesichts der ungemein schwierigen Quellenlage und den riesigen Lücken grenzt es schier an ein Wunder, wie sehr Levin sich in die musikalische Welt Mozarts eingefühlt und seine Musiksprache getroffen hat. Das Ergebnis ist stilistisch bruchlos und musikalisch überzeugend: eine ganz und gar mozartische Vision einer vollständigen Messe.
Bei hänssler erscheint nun eine makellos klingende Aufnahme der Neuen Version von Robert D. Levin. Helmuth Rilling dirigiert die Musiker der Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart vollkommen stilsicher, mit großer Transparenz und dramatischem Instinkt. Cantorei und Bach-Collegium werden ihrem guten Ruf bestens gerecht und die Leistung der hervorragenden Solisten gipfelt in den wundervoll verflochtenen Gesangslinien von Diana Damrau und Juliane Banse.
Miquel Cabruja [27.09.2005]