Götterdämmerung für 2 KlavierePreis Deutscher Schallplattenkritik 2/2013Klavier-Duo Tal & Groethuysen / Wagner-Transkription |
Das Vermögen von Alfred Pringsheim war legendär. Märchenhaft auch sein mit Kunstschätzen angefülltes Palais in München und die Großzügigkeit, mit der das Haus der Münchner Gesellschaft offen stand. Außerdem war Pringsheim ein Wagnerianer der ersten Stunde. Dass er Wagners Musik liebte, hielt ihn allerdings nicht davon ab, sie auch zu kritisieren - und so üppig, wie er das Unternehmen Bayreuth förderte, so leidenschaftlich trat er dafür ein: Als er einmal im Streit einem Antiwagnerianer in einer Bayreuther Gastwirtschaft ein Bierglas an den Kopf warf, wurde er fortan von den Freunden nur noch der Schoppenhauer genannt.
Eine Anekdote, die in mehreren Varianten kursiert. Weniger bekannt ist, dass dieser kluge, witzige und multipel begabte Bayreuth-Patron auch selbst als Musiker aktiv war. Alfred Pringsheim komponierte, auch als Pianist war er außerordentlich brillant, jedenfalls muss er sehr viel besser Klavier gespielt haben als Wagner selbst.
Das ist abzulesen an den virtuosen, machtvoll farbigen Klavier-Transkriptionen, die er von zwei Szenen der Götterdämmerung anfertigte. Sie wurden von dem Musikwissenschaftler Egon Voss vor drei Jahren wiederentdeckt und jetzt erstmals eingespielt von dem famosen Klavierduo Yaara Tal& Andreas Groethuysen: das fast zwanzigminütige Finale der Ring-Tetralogie, mit den donnernd anrollenden Walhall- Erschütterungen, dem Aufbrennen der Götterburg und dem aufgipfelnden Erlösungsmotiv am Schluss - sowie die Musik beim Tode Siegfrieds. Und das ist nur erst ein Zipfel des Schatzes: Mehr als vierzig solcher Bearbeitungen von wagnerscher Musik, für zwei Klaviere, vier Hände, soll Pringsheim komponiert haben, die meisten sind überliefert im Nachlass von Katia Manns Zwillingsbruder Klaus - und sie warten nur darauf, endlich wieder aufgeführt zu werden.
Auf ihrer neuen CD Götterdämmerung, mit der Yaara Tal und Andreas Groethuysen den 200. Geburtstag von Richard Wagner ehren, erinnert das mit zahllosen Preisen ausgezeichnete Duo an zwei deutsche Wagner-Bewunderer. Das Vorspiel und Isoldens Liebestod aus Tristan und Isolde ist in einer vierhändigen Klavierfassung von Max Reger (1873 – 1916) zu hören. Als Weltersteinspielungen erklingen zwei Wagner-Transkriptionen, die aus der Feder des Komponisten Alfred Pringsheim (1850 – 1941) stammen. Der aus einem jüdischen Hause stammende Pringsheim war nicht nur der Schwiegervater von Thomas Mann. Der zu Lebzeiten bedeutende Mathematiker verstand sich als kritischer Wagnerianer. Er schrieb Artikel über ihn, korrespondierte mit dem Komponisten und schrieb über vierzig Klavier-Bearbeitungen von Wagner-Werken. Zwei Transkriptionen von Ausschnitten aus Wagners Götterdämmerung haben Yaara Tal und Andreas Groethuysen wiederentdeckt und zum Wagner-Jubiläum aufnehmen können. Wir sind in der glücklichen Lage, Zugang bekommen zu haben zu weitgehend unbekannten Bearbeitungen von Alfred Pringsheim, die noch unveröffentlicht in seinem Nachlass schlummerten. Auch Pringsheims Klavierfassungen von Siegfrieds Tod sowie der Schlussszene aus Götterdämmerung sind technisch anspruchsvoll und lassen vermuten, dass Pringsheim ein exzellenter Pianist gewesen sein muss. Wahrscheinlich sind diese Bearbeitungen bislang nur im Münchner Palais von Pringsheim erklungen. Claude Debussy verband mit Richard Wagner stets eine Art Hassliebe. In den 1880er Jahren war der Franzose zu den Bayreuther Festspielen gepilgert, wo ihn nicht zuletzt Wagners Tristan und Isolde begeisterte. Das einzige offizielle Klangdokument, das aus der Feder des Wagnerianers Debussy stammt, ist seine 1890 entstandene Transkription der Ouvertüre aus der Oper Der fliegende Holländer für zwei Klaviere. Auch eine kaum bekannte Transkription des Tannhäuser-Bacchanals durch Paul Dukas ist Ausdruck einer französischen Wagner-Verehrung und Bestandteil dieser besonderen CD zum Wagner-Jubiläum. (sony) – -
Meine Favoriten auf dieser wunderbaren CD sind die beiden Transkriptionen von Paul Dukas und Claude Debussy. Dukas Tannhäuser-Bacchanale klingt ungeheuer farbig, hier wird deutlich die dem Stück innewohnende Erotik zum klingen gebracht. Auch Debussys Holländer schwirrt ganz neu koloriert über die Meere. Regers Tristan klingt eher ein bisschen gestreng, gegenüber etwa der bekannteren Liszt-Version. Die Pringsheim-Götterdämmerungsszenen zeigen die große Pranke des Arrangeurs. – Auf einer früheren Wagner-CD mit dem Duo hörte man u. a. eine spannende Parzival-Transkription von Engelbert Humperdinck. – Wagnerfreunde einerseits, Klaviermusik-Fans andererseits sollten diese CD unbedingt in ihr Archiv aufnehmen!
Jetzt spielte das Duo passend zum diesjährigen Wagner-Jubiläum teilweise noch unveröffentlichte Transkriptionen von Werken des Bayreuther Meisters ein. Neben selten zu hörenden Fassungen von Wagner-Werken für zwei Klaviere von Max Reger und von französischen Komponisten bietet diese neue CD des Duos Tal- Groethuysen auch zwei Welt-Ersteinspielungen aus der Feder von Alfred Pringsheim. Dieser aus einer jüdischen Familie stammende Komponist war zu Lebzeiten nicht nur ein bedeutender Mathematiker und kritischer Wagnerianer, sondern auch der Schwiegervater von Thomas Mann. Pringsheim stand in Korrespondenz mit Richard Wagner, schrieb Artikel über ihn und über vierzig Klavier- Transkriptionen seiner Werke. Schon der rein klaviertechnische Anspruch von Pringsheims Bearbeitung der Schlussszene aus der "Götterdämmerung" legt die Vermutung nahe, dass Pringsheim ein ausgezeichneter Pianist gewesen sein muss. Neben der vollen Ausschöpfung der klanglichen Möglichkeiten des Instruments lässt diese Transkription aber auch sein tiefes Verständnis für die Wirkungskräfte von Wagners Musiksprache erkennen. Sie besticht durch ihre Fokussierung aufs Substanzielle, dem Yaara Tal und Andreas Groethuysen in ihrer Interpretation kongenial nachspüren.
Mit geradezu symphonisch dimensionierter Gestaltungsfantasie, elektrisierender Spielfreude und großer Sensibilität für die musikalisch- strukturellen Details musizieren die beiden aber auch die Ouvertüre zu Wagners Oper "Der fliegende Holländer" in der Transkription von Claude Debussy. Eine Art Hassliebe verband den Franzosen mit dem Bayreuther Meister. So pilgerte Debussy in den 1880er Jahren zum Grünen Hügel und begeisterte sich dort besonders für Wagners "Tristan und Isolde". Trotz unüberhörbarer Einflüsse auf seine eigene Musik polemisierte Debussy allerdings auch gegen Wagner, um sich von dem übergroßen Vorbild abzusetzen. Die Transkription der "Holländer"-Ouvertüre ist die einzige "offizielle" Wagner-Bearbeitung Debussys. Sie zeichnet sich durch eine subtile Verdichtung des musikalischen Materials bei größtmöglicher Transparenz aus. All das wird vom Klavierduo Yaara Tal und Andreas Groethuysen mit hinreißendem Schwung interpretiert.
Man kann es wirklich spüren, wie sehr dem Duo Tal-Groethuysen die Musiksprache Wagners liegt. Das haben die beiden übrigens auch schon auf einer früheren CD-Veröffentlichung gezeigt, die vor etwa 15 Jahren Wagner-Transkriptionen für Klavier zu vier Händen gewidmet war. Diese Wagner-Erfahrungen hatten sicher einen positiven Einfluss auf die aktuelle CD des Duos, und zwar sowohl was die scheinbar mühelose Bewältigung der hochvirtuosen Klavier-Umsetzungen von Wagners Riesenpartituren betrifft als auch für die aufregend gelungene Dramaturgie großer Spannungsbögen oder für die faszinierende Durchleuchtung komplexer musikalischer Verzweigungen. Fazit: Yaara Tal und Andreas Groethuysen entfachen in ihren Wagner- Erkundungen ein Feuerwerk aus Rausch und Klarheit, dessen Sogwirkung man sich kaum entziehen kann.
Bei jedem Jubiläum eines viel gespielten Komponisten stellt sich die Frage: Ehrt man ihn mehr dadurch, dass man ihn hört oder dadurch, dass man einmal bewusst auf seine Werke verzichtet? Wer sich nicht entscheiden kann, für den ist diese Scheibe mit Wagner-Transkriptionen für zwei Klaviere genau das Richtige. Sie enthält sowohl bekannte Übertragungen von so namhaften Komponisten wie Debussy, Reger und Dukas, aber auch als Ersteinspielung Übertragungen von “Siegfrieds Tod" und der Schlussszene der “Götterdämmerung" aus der Feder des mit Wagner und Thomas Mann befreundeten Mathematikers Alfred Pringsheim, der sich als Arrangeur wahrlich nicht vor seinen hauptberuflichen Tonkünstlerkollegen verstecken muss.
Es lässt sich schwer behaupten, dass Wagner, den selbst seine Gegner wegen seiner Instrumentationskunst bewundern, bei der Übertragung auf Tasteninstrumente nicht verliert. Wenn sich auf dem Klavier die eine oder andere melodische Linie auch klarer abzeichnet, so ist es doch auch für ein so hervorragendes Kavierduo wie dieses nicht leicht, Ketten von verminderten Akkorden ohne Orchesterfarben Leben einzuhauchen. Gerade Pringsheim bringt jedoch viel von der Farbigkeit des Wagnerschen Orchesters über virtuose Figurationen und Klangkaskaden in den Klaviersatz zurück und in diesen Passagen bewähren sich Yaara Tal und Andreas Groethuysen auf das Beste, lassen Loges Funken sprühen und die Bässe beben, ohne in suppiges Grollen zu verfallen. Besonders stark sind sie jedoch in den lyrischen Partien: Allein für das Vergnügen, Brünnhilde eindringlich und doch ohne jede Forcierung von ihrer Liebe singen zu hören, lohnt es sich, diese instrumentatorische Fastenkur mitzumachen.