Tänzelnde Quartette


Kritik von Tobias Pfleger, 23.12.2005 (Betrifft Vol. 1)

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert:
Booklet:
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Ein gelungenes Plädoyer also für einen Komponisten, der vielleicht nicht zu den größten seiner Zeit gerechnet werden kann.

Der in Nürnberg 1801 geborene Komponist Wilhelm Bernhard Molique scheint sich vor allem dadurch auszuzeichnen, dass ihn heute niemand mehr kennt. Liest man seine im Booklet der vorliegenden CD zusammengefasste, bewegte Biographie, so mag dies auf den ersten Blick erstaunen. Denn scheinbar hatte Molique mit einigen Größen seiner Zeit unmittelbaren Umgang, ohne jedoch selbst zu einer solchen Größe zu avancieren. Dass jemand mit einem so französisch klingenden Namen im mittelfränkischen Nürnberg geboren wurde, könnte befremdlich wirken, doch wenn man an die Hugenotten-Siedlungen in Nürnberg und Erlangen denkt, befindet sich der von lothringischen Vorfahren abstammende Bernhard Molique in bester Gesellschaft. Von Louis Spohr als Jugendlicher 'entdeckt', konnte er ab 1816 in München studieren. Nach einigen Wiener Jahren, in denen er die Bekanntschaft Beethovens und Schuberts gemacht haben soll, trat er in die Münchener Hofkapelle als Violinist ein, zog dieser Stellung ein Jahr später jedoch einen Posten Stuttgart als Königlicher Musikdirektor und Konzertmeister vor. Über zwanzig Jahre blieb Molique in Schwaben, bevor er sich in den 1840er Jahren eine neue Existenz in London aufzubauen suchte. In die Heimat zurückgekehrt, starb er 1869.

Verbeugung vor dem Idol

1843 wurden die hier aufgenommenen Streichquartette op. 18, Nr. 1 und 2 veröffentlicht. Dass sie als Verbeugung vor Beethoven konzipiert sind, zeigt bereits die Opuszahl ­ Molique hat einem weiteren Quartett die Opuszahl 59 zugewiesen, ohne längst so viele Werke geschaffen zu haben: Ein schielender Seitenblick auf das große Idol zeigt sich auf Schritt und Tritt. Und auch die Tonart des ersten Quartetts, F-Dur, weist auf den engen Anschluss an Beethoven hin. Dass der Stil der beiden Quartette Moliques deutlich an klassische Muster anknüpft, überrascht folglich nicht, auch wenn man die Entstehungszeit berücksichtigt.

Seidenweicher Streicherklang

Das Mannheimer Streichquartett, seit Jahren eines der interessantesten und bedeutendsten Quartettformationen, widmet sich diesen Preziosen mit einer Hingabe und Detailgenauigkeit, als handele es sich um gängiges Repertoire. Vor allem op. 18 Nr. 2 in a-Moll überzeugt in der Interpretation des Quartetts: tänzelnd leicht breitet sich das beschwingte erste Thema des Eingangssatzes aus, singend heiter das zweite. Auch wenn Molique als Violinvirtuose Bekanntheit erlangte, so schreibt er hier nicht nur einen brillanten Part für die erste Geige, sondern ein ausgewogenes Werk, das von spielerischer Leichtigkeit geprägt ist. Ausgewogenheit prägt auch die Interpretation der vier Musiker. Transparent und filigran wirkt der Klang, Motive werden zwischen den Instrumenten herumgereicht. Vor allem die rhythmische Gestaltung verdient in ihrer locker-beschwingten Leichtigkeit hohes Lob. Dass für das Mannheimer Streichquartett keinerlei technische Schwierigkeiten bestehen, dürfte nach diversen hochkarätigen Einspielungen klar sein. Mit welcher Spielfreude sich die vier Streicher jedoch vor allem diesem eher abseitigem Repertoire hingeben, ist erstaunlich und verdient höchste Anerkennung.

Das erste Quartett in F-Dur zeigt sich eher klassisch in der Verarbeitung kurzer Motive, allerdings ist auch hier Moliques Hang spürbar, diese zu strömenden Melodien zusammenzusetzen. Die Tempi des Mannheimer Streichquartetts sind durchweg sehr organisch, besonders die Allegro-Sätze federleicht, mit hüpfenden Akzenten versehen. Die Phrasierung ist traumwandlerisch aufeinander abgestimmt, die dynamische Gestaltung auf einem ebenso hohen Niveau. Auch die klangliche Seite dieser in Koproduktion des 'Schatzgräber'-Labels cpo mit dem Südwestdeutschen Rundfunk Stuttgart entstandene Aufnahme kann voll und ganz überzeugen. Die Streicherklang entfaltet sich ganz natürlich im Raum und wirkt div>Ein gelungenes Plädoyer also für einen Komponisten, der vielleicht nicht zu den größten seiner Zeit gerechnet werden kann, aber dennoch kunstvoll gestaltete, schwungvolle Musik zu schreiben verstand. Wir freuen uns auf Vol. 2!

Tobias Pfleger [23.12.2005]
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