Künstlerin der leisen Töne

Schubert & Hüttenbrenner Lieder / Sibylla Rubens

Kritik von Michael Fischer, 03.12.2003

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert:
Booklet:
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Sibylla Rubens, das darf man ohne Übertreibung sagen, gehört zu den großen deutschen Sopranistinnen. Nach ihrem Studium in Trossingen und in Frankfurt am Main vervollständigte sie ihre Ausbildung unter anderem bei Edith Mathis und Irwin Gage, dem Pianisten der vorliegenden Aufnahme. Rubens arbeitete mit mehreren Ensembles zusammen, die sich auf die Interpretation Alter Musik spezialisiert haben, etwa mit der Chapelle Royale unter Philippe Herreweghe oder dem kanadischen Barockorchester ‘Tafelmusik’. Mitgewirkt hat die Sopranistin auch bei der Aufnahme der Bach-Motetten mit dem RIAS-Kammerchor unter der Leitung von René Jacobs. Besonders verbunden weiß sich Sibylla Rubens mit der Bachakademie Stuttgart. Zusammen mit Hellmuth Rilling hat sie das Oratorium ‘Lazarus’ von Franz Schubert aufgenommen, das beim gleichen Label wie die Lieder-Einspielung (Hänssler Classic, Stuttgart) erschienen ist.

Rubens ist neben ihrer Tätigkeit als Konzert- und Oratoriensängerin auch als Liedinterpretin hervorgetreten. Die im Juni 2002 vom Südwestrundfunk aufgenommene CD dokumentiert Lieder von Mozart, Schubert und Hüttenbrenner. Die beiden Komponisten Mozart und Schubert müssen nicht vorgestellt werden, auch wenn das Liedschaffen Mozarts vielleicht nicht so bekannt ist als andere Werke des Salzburger Komponisten. Hüttenbrenner hingegen dürfte eher Spezialisten ein Begriff sein. Geboren wurde er 1794 in Graz. In die Musikgeschichte ging er zunächst durch seine Freundschaft mit Franz Schubert ein. Anselm Hüttenbrenner berichtet: ‘Schubert lernte ich im Jahre 1815 beim k.k. Hofkapellmeister Salieri kennen, der ihm bereits einige Jahre im Generalbass und in der Komposition unterrichtet hatte.’ Mehrere Jahre hatte Hüttenbrenner dann Gelegenheit ‘mit Schubert wöchentlich zwei- bis dreimal zusammenzukommen. Außerdem besuchten wir uns gegenseitig sehr fleißig, gewannen einander lieb und wurden intime Freunde und Brüder.’ Aber Hüttenbrenner ist nicht nur als Freund und Liedbegleiter Schuberts von Bedeutung, sondern er hat auch ein eigenes musikalisches Oeuvre hinterlassen. Erfolgreich war sein Requiem in c-moll (1825), das bei den Totenfeiern von Salieri, Beethoven, Schubert und Kaiser Franz I. erklang. Daneben trat er besonders als Komponist kleiner Formen hervor, so auch von Liedern. Im Gegensatz zu Schubert bevorzugte er weniger die anspruchsvollen Dichter der Zeit, sondern lokale, etwa Freiherr Ferdinand von Rast. Zwei dieser Gedichte sind in der Vertonung Hüttenbrenners auf der Compact Disc zu hören.

Rubens ist eine eindrückliche Gestalterin: Subtil werden die Texte vorgetragen, dabei ist die Textverständlichkeit nicht nur beispielhaft, sondern geradezu bewundernswert. Der Sopranistin gelingt es gut, Stimmungen einzufangen, gerade die abgetönten, melancholischen. Als Beispiel ist auf das Lied ‘Abendempfindung’ von Mozart zu verweisen. Eindringlich kann sie Sätze wie ‘Bin wie ein König froh, obgleich / Ein armer, blinder Knab’ gestalten (Schubert: Der blinde Knabe, D 833). Weniger schön ist das zuweilen störend auftretende, großräumige Vibrato. Gerade in dramatischen und lauten Passagen wirkt dieses aufgeregt und unausgeglichen. Vielleicht liegen der Künstlerin die leisen Töne mehr.

Sibylla Rubens wird begleitet von dem bekannten Pianisten Irwin Gage, der in Zürich eine Meisterklasse für Liedinterpretation leitet. Gage spielt sich nie in den Vordergrund, er dient bescheiden der Sängerin und dem Text.

Erfreulich ist die Gestaltung des Textbuches, das neben den Liedtexten Informationen zu den eingespielten Liedern enthält. Die Einspielung des SWR mag auch deutlich machen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender — die oft und nicht zu Unrecht kritisiert werden — immer noch eine ganz hervorragende Kulturarbeit leisten.


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